5. Inhalte und Mittel

5. Welche Inhalte können mit welchen Mitteln
transportiert werden?

Welche Bedeutung hat die künstlerische Inszenierung in unserer Gesellschaft? Künstlerische Betätigung fordert Phantasie und Kreativität, hilft ein Abstraktionsvermögen zu erwerben und entwickelt Empfinden für Qualitäten.

Der musische Prozess zeigt sich stets

  • in sinnlichen Medien: Farben, Formen, Töne, Laute usw.., andererseits führt
  • er als kreativer Ausdruck eines nicht sinnlichen Gestaltungswillens den jedes Kind im kreativen Spiel auslebt, über die rein sinnliche Erscheinung hinaus.

Der musische Prozess ist deshalb die bester Vermittler „zwischen der sinnlichen und geistigen Natur des Menschen und bildet eine Mitte zwischen kindlichem Spiel und menschlicher Arbeit. 37 (frei interpretiert…)
(…) Eine Erziehungs- und Unterrichtspraxis, welche dies durchschaut, wird der
Kunst die rechte Stelle anweisen und ihrer Pflege die rechte Ausdehnung geben.“38

  • Kunst und Musik fordern mathematisches Verständnis, um Rhythmus, Takt oder Perspektive zu verstehen. Sie sind eingebettet in eine Epoche. Anhand von musikalischen oder visuellen Bildern kann auch ein Kleinkind eine Zeitreise erleben. Man sieht Mode in Gemälden, hört ein anderes Tempo, denn jede Zeit hat ihren eigenen Klang und Geschwindigkeit.
  • Kunst und Musik fordern und fördern Motorik. Kleinkinder kommen bei rhythmischen Klängen sehr schnell in tänzerische Bewegung. Um ein Instrument oder eine Farbe zu selbst zu bedienen, bedarf es feinmotorischer Bewegungen: Der Pinsel wird nicht „gequält“, sondern gestrichen, getupft oder gezogen. Das Instrument muss mit Fingerspitzen bedacht werden, selbst Perkussionsinstrumente wollen nicht nur geschlagen werden.
  • Und nicht zuletzt unterstützt Musik die sprachliche Entwicklung – das Kind hört und wiederholt Phonetik und Sprachmelodie. Bei der Bildbetrachtung wird ein kollektiver dialogischer Prozess gefördert. Sehen und erkennen, Bezüge zu Farben und dem Dargestellten werden hergestellt und, wenn möglich, sprachlich zum Ausdruck gebracht: „Wo ist das Gelb?“, fragt die Bildungsbegleiterin/der Bildungsbegleiter. Das Kind sucht die Farbe. „Da!“ Die anderen Kinder sind aufmerksam. „Gelb. Was ist gelb?“ Kinder, die schon sprechen, werden gelbe Dinge erwähnen oder auf sie zeigen, wenn die Worte fehlen. Die anderen Kinder verfolgen den Dialog mit großer Aufmerksamkeit. Es ist erstaunlich, wie schnell im Kleinkindalter Entwicklung stattfindet.

Ein Kleinkind steht am Anfang seines Lebens. Es lernt erste Melodien, um sich in ihrem Takt auf unsicheren Beinchen zu wiegen. Es lernt Texte, die es holprig zu sprechen beginnt und damit hoffentlich eine Freude am Gesang. In meinem Projekt erkennt das Kind außerdem Instrumente, weil ich diese an entsprechenden Passagen in Camille Saint-Saëns‘ „Karneval der Tiere“ benenne. Zur Untermalung des gesprochenen Wortes – nehmen wir das Beispiel einer Flöte, unterstreiche ich die Erklärung pantomimisch. Bestenfalls lernt das Kind das Instrument richtig kennen – also ein Instrument zu be-greifen. Meine Kindertagespflege ist im Besitz unterschiedlicher Flöten und Blasinstrumente. Einige davon dürfen die Kinder selbst probieren. Es gibt gute Blockflöten aus Kunststoff, der perfekt zu reinigen ist. Wenn eben möglich lade ich Musiker ein, ein Instrument professionell vorzuführen. Kinderlieder werden jetzt musikalisch untermalt. Die Kinder dürfen die Instrumente respektvoll betasten und – wenn eben möglich – auch ihm selbst ein paar Töne entlocken.

Außerdem lernt das kleine Kind Farben kennen, ihren Namen zu benennen und kann erleben. Mehr dazu im nächsten Kapitel.

Schülerinnen und Schüler, vorwiegend der Haupt- und Realschulen (Mittelschule) durchlaufen die Schullaufbahn heutzutage meist ohne musische Unterrichtung.

Anders gestaltet sich der Lehrplan an freien Waldorfschulen, wo Kunst und Musik zu elementaren Fächern gehören, die sachkundlichen Stoff bereichern und unterstützen.
Künstlerische Betätigung fordert und fördert Phantasie und Kreativität und
entwickelt das Empfinden für Qualitäten. Im Breich Kindertagestätte etabliert sich die Idee „Reggio Emilia“. Wieder nur für Kindergartenkinder – ab 3 Jahre.

Auf der einen Seite zeigt sich sich die Bedeutung von Kultureinsatz im sinnlichen Medium (Farben, Formen, Töne, Laute usw.), andererseits führt sie als Ausdruck eines nicht sinnlichen Gestaltungswillens über die rein sinnliche Erscheinung hinaus. Sie ist deshalb die beste Vermittlerin zwischen der sinnlichenund geistigen Natur des Menschen. Sie bildet aber auch eine Mitte zwischen
kindlichem Spiel und menschlicher Arbeit. 37 (…)
(…) Eine Erziehungs- und Unterrichtspraxis, welche dies durchschaut, wird der
Kunst die rechte Stelle anweisen und ihrer Pflege die rechte Ausdehnung geben.“38

  • Kunst und Musik fordern mathematisches Verständnis, um Rhythmus, Takt oderPerspektive zu berechnen.
  • Sie sind eingebettet in eine Epoche (Zeitgeschichte) und untermalen anschaulich den Geschichtsunterricht oder die Staatskunde.
  • Um ein Instrument oder eine Farbe zu beherrschen bedarf es vielfältiger chemischer, physikalischer, physischer Kenntnisse und nicht zuletzt ist
  • Musik wichtig für die sprachliche Entwicklung (Phonetik, Sprachmelodie).

In meiner Kindertagespflege durfte ich ein Kind betreuen, das von Fachleuten als „autistisch“ eingestuft wurde. In der Tat isolierte sich das Kind (aber nicht vollkommen). Es zeigte starke autoagressive Tendenzen. Mit Hilfe von Musik lernte dieses Kind eine neue Ausdrucksform. Es bewegte sich zunächst schüchtern im Takt der Klänge. Später lernte es alle Liedertexte auswendig, obwohl es sonst nie sprach. Nach einem Gesang konnte ich zuweilen sogar Zugang zu Gesprächen finden. Am liebsten war diesem Kind die Musik des Mittelalters. Einfache Instrument, gewaltiger Rhythmus – das gefiel dem Kind. Über die Klangwellen wurde es zur gesamten Gruppe getragen: Es wiegte sich in den Hüften, dann trat es einen Schritt vor – wieder zurück und wieder ein Stück weiter vor. Irgendwann war es bei uns angekommen. Es setzte sich ruhig, zufrieden und stumm auf einen Stuhl und nahm an allem teil. (Auszug aus persönlichen Notizen)

5.1. Ästhetische Bildung

Ästhetische Bildung lautet der Fachbegriff für diesen synästhetischen Effekt und wurde geprägt von Friedrich Schiller39.
Der Begriff Ästhetische Bildung bezeichnet einen Ansatz der Erziehungswissenschaften und der Sozialen Arbeit mit ästhetischen Medien, bei dem sinnliche Erfahrungen Ausgangspunkt von Bildung und Entwicklung des Menschen sind. Damit sind nicht nurErfahrungen gemeint, die an künstlerischen Werken gemacht werden können: Im Sinne der Herkunft des Wortes Ästhetik aus dem Griechischen (gr. aísthesis: sinnliche Wahrnehmung) zielt die Ästhetische Bildung auf die Bildung der reflexiven Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit in allen Lebensbereichen. 40

5.2. Zum Sächsischen Bildungsplan

Wie ästhetische Bildung in der Praxis umgesetzt werden soll, ist für den frühkindlichen Bereich im Sächsischen Bildungsplan41 vorgegeben. Bildungspläne verstehen sich grundsätzlich aber nur als „Orientierungshilfe für die tägliche Praxis von pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen sowie von Kindertagespflegepersonen42“.
Die einzelnen Bildungsbereiche sind:

– Somatische Bildung – Soziale Bildung – Kommunikative Bildung – Ästhetische Bildung – Naturwissenschaftliche Bildung – Mathematische Bildung.

Die einzelnen Inhalte der Ästhetischen Bildung im Sächsischen Bildungsplan sind:

  • Musik, Tanz und Theater, Bildnerisches Gestalten.

Wenngleich ich der ästhetischen Bildung offenkundig die größte Aufmerksamkeit schenke, so fließen alle anderen Bildungsanforderungen in den strukturierten Alltag ein.

– Somatische Bildung

Somatisch (das Wort stammt aus dem Grieschichen) bedeutet: Sich auf den Leib zu beziehen. Die körperlichen Belange und  Voraussetzungen bestimmen den Tagesablauf in der Tagespflege. Die Kleinkinder können oft noch nicht laufen, wenn sie in die Tagespflege kommen. Hier heißt es erst mal: Auf die Füße kommen. Dann geht es schwankend und wankend weiter. Wickeln, Stuhlgang erlernen sind tägliches Programm. Kleidung an- und ablegen gehört ebenso zum Tagesrhythmus.

Aber auch, wenn ein Einjähriges noch nicht tanzen kann, so folgt es mit Freude der kleinen Gruppe, die bereits fest auf den Füßen steht. Und der erste Wachsmaler in der Hand wird ungeschickt – aber mit großer Spannung und Freude – über ein Blatt gestreift. Genau wie der Löffeln noch nicht immer den Mund trifft.

Gemeinsam lernt es sich leichter und vor allem mit viel Spaß. Wer schon wacker bei der Sache ist, kann und will auch gerne helfen. Auch das gehört zum Programm!

– Soziale Bildung

Gemeinsam, nicht einsam. In der privaten Kindertagespflege geht es familär zu. Eine/r hilft anderen. Wer was kann, mag es gerne zeigen.

Nun lebt und erlerbt Kind grad desaströle Umbrüche: Trennung von der stillenden Mutter, Trennung von der Enge der Familie und zugleich die Entwicklung des eigenen ICH. Kind erkennt sich selbst. Es sagt seinen Namen. Später sagt es ICH. Es weiß was MEIN ist. In einer Kleinkindgruppe ist dieser Entwicklungsschritt etwas Besonderes. Nicht EIN Kleinkind beugt sein ICH auf: Es sind fünf Kleinkinder, die ICH und MEINS verteidigen. Im asthätischen Bildungsprogramm kann diese Entwicklung gefördert werden.

Im Liedgesang werden die Kinder einzeln hervorgehoben:

„Der Martin ist jetzt an der Reih und läuft an uns vorbei…“.

Immer wieder werden Kinder in den Liedern direkt angesprochen: Im Morgengesang: Wir begrüßen die Luisa… oder im Zwischengesang, wo Stärken der Kinder hervorgehoben werden können: „Der Adrian, der Adrian, der zeigt uns jetzt mal, was er kann…“.
Hier gewinnt das Kind Selbstwertbewusstsein. Es wird hervorgehoben. Gleichzeitig muss es aber auch erfahren, dass anderen Kinder Gleiches widerfährt. Es erlebt, bestätigt – z.B. durch Applaus, dass andere etwas gut schaffen. „Gruppenzwang“ ist ein böser Ausdruck, für das, was jetzt geschieht. Im Konkurrenzgefühl werden Impulse geweckt, die je nach Veranlagung des einzelnen Kinds immer eine Nachahmung bewirken. Das Kind wird sich mit dem Thema befassen. Wenn es nicht in der Lage sein sollte, das Gezeigte zu kopieren, wird das Kind in eine Defensivhaltung verfallen.

Es blockt. Hier ist die Tagespflegeperson gefragt. Wie kommt das Kind aus der Bockade? Indem die anderen Kinder das Kind in den Prozess einflechten.

„Luise zeigt uns jetzt mal, wie gut sie ihre Strumpfhose anzieht.“

Indem Luise dies vorführt, wird sie bewundert. Anschließend bitte ich Luise, dem kleinen Stefan zu helfen. Die Kinder sind kommunikativ beschäftigt. Derweil hilft die Tagespflegeperson einem anderen Kind und kommentiert nur das Geschehen. Es ist also nicht mehr nur die Tagesmutter (-vater), die den Kindern bei Bedürfnissen helfen. Ein soziales Geflecht wird entwickelt.
Auch im Freispiel werden Stärken und Schwächen vereint. Ein Kind, das gut die Eisenbahn aufbauen kann, dominiert in diesem Spielablauf. Es wird gelobt. Anschließend wird diesem Kind ein Kind empfohlen, das gerne auch eine Eisenbahnschiene bauen würde, es aber nicht kann. Wichtig! Das unerfahrene Kind wird nicht ZUGEWIESEN. Das spielende Kind wird höflich gefragt, ob das unerfahrene Kind mitspielen darf!
In der Regel bejaht ein spielendes Kind die Frage und nimmt ein anderes Kind ins Spielgeschehen auf.
Meist wird den hinzukommenden Kindern vom spielenden Kind sogar ein großes Zugeständnis an Spielmaterial gemacht. Das dominierende Kind beobachtet den neuen Spielgefährten, führt ihn sogar in die Praxis ein. Erst, wenn eine gewisse Routine in der Handfertigkeit erlangt ist, wird ein Konkurrenzgebaren eintreten. Dann heißt es plötzlich wieder „meins“.
Aber: Dann ist bereits ein sozialer Dialog entstanden und die Kommunikation ist „auf Augenhöhe“.Die Kinder sind auf jeden Fall in einen sozialen Dialog getreten, haben Rücksicht genommen und sich gegenseitg geholfen. Eine derartige Chance der sozialen Verknüpfung ist außerhalb der Kindertagespflege im täglichen Umgang nur schwer zu organisieren.

Kommunikative Bildung

Sprache ist im Kleinkindalter ein extremer dynamischer Prozess.

Jeder versteht die nonverbalen Äußerungen von Säuglingen. Das Kleinkind bedient sich gerne der erworbenen Eigenschaften: es schreit, es weiß auch Mimik und Gestik zu gebrauchen. In meiner Kindertagespflege kommen nicht selten Neulinge an, die ihren Eltern per Handzeichen alle Wünsche kommandieren. Diese Kommunikation ist  überaus fruchtbar – zumindest bei Eltern und Großeltern. Aber wie kommt es zu einer übergeordneten Kommunikation, die allgemein verständlich als verbale Sprache bezeichnet wird? Selbstverständlich verstehen Tageskinder und Tagespflegepersonen auch die Handzeichen eines Kindes: Es zeigt und sag: „Da!“ Was wird aber in einer Kindertagespflege passieren, wenn wir auf diese Signale direkt reagieren?

Grundsätzlich:
– Kindertageseltern reagieren auf diese Handzeichen. Sie versuchen sie zu verstehen.
– Die Zeichen werden gedeutet und ausgewertet:
– sollen sie den Bedürfnis des Kinds entsprechen? Will es etwas haben?
– sollen sie auf etwas aufmerksam machen? Da passiert etwas Besonderes?

Wir nehmen als Tageseltern alle Hinweise und Äußerungen der kleinen Kinder ernst. Diese Altersklasse ist nicht in der Lage sich verbal ausgeprägt zu artikulieren. Darum gilt jeder Hinweis erst mal als Fakt.
Sollte sich der Hinweis allerdings als reiner „Kommandoton“ erweisen: „Ich möchte gerne etwas trinken“, kann die Kommunikation an dieser Stelle unterbrochen werden.

„Ich habe Dich nicht verstanden?“, lautet zum Beispiel ein Gegenargument.

„Was möchtest Du?“ Das Kind blickt irritiert.

In der Regel formulieren die anderen Tageskinder den Wunsch. Dieser wird dann von den Tageseltern wiederholt:

„Du möchtest etwas trinken?“

In einem Prozess wird gemeinsam mit der Kindergruppe angeregt, dass sich das Kind verbal äußert.
In diesem Zusammenhang ist sehr interessant, dass fremdsprachige Kinder sich nachfolgend doppelsprachig äußern. Die Tageskinder lernen so einfache Begriffe sogar in einer anderen Sprache.
Fazit: Gelungene Kommunikationn ermöglicht im Kleinkindalter auf jeden Fall nonverbale Kommunikation. Der Übergang zur verbalen Kommunikation ist allerdings so offen, dass ein großes Sprachpotential – vom Dialekt über fremdsprachliche Begriffe – in den alltagstauglichen Sprachgebrauch eingebunden werden können.
– Lieder und Reime unterstützen die Sprachentwicklung rasant.
– ein theatralischer Wechsel im Sprachgebaren erleichtert die Hemmschwellen für Kinder, selbst, das Wort zu ergreifen. Anders gesagt: Wenn eine Tagespflegeperson viele verschiedene Genre anwendet, um ein Geschehen zu kommentieren (also Theater spielt), traut sich ein Kind auch schneller an eigenen Sprachgebrauch.

5.3. Synästhetische Effekte

Durch die Verknüpfung von ästhetischer Bildung mit anderen Bildungsbereichen wird ein ganzheitliches Erleben von Welt ermöglicht. Das Kind durchläuft nicht einzelne  Bereiche, sondern Inhalte aus einzelnen Bereichen werden sinnvoll miteinander  verwoben und verknüpft. Der Synästhetische Effekt durch eine Kombination von  Kunst und klassischer Musik, eingebettet in ein be-greifbares Erleben von Umwelt und
Alltag formt so die Sinneseindrücke des Kindes in besonderer Weise. Die Erfolge aus einer Umsetzung der einzelnen Bildungsbereiche werden durch die Verknüpfung derselben potenziert.
Damit unterscheidet sich diese Form der Bildung in diesem Konzept ganz entscheidend von vielen anderen Formen „Intellektuellen Frühtrainings43“. Grundsätzlich waren Überlegungen Fröbels und Montessori richtig, wenn sie erkannten, dass das Kind erst einen Gegenstand in seinem Kontext sieht, um anschließend das Detail genau zu erforschen. Genau hier knüpft auch das Projekt an, wenn wir Musikstücke erst hören,dann einzelne Instrumente erkennen und be-greifen, oder wenn wir Bilder betrachten,  um sie zu „hören“ und später realistisch nachzuempfinden.

5.4. Folgen der Trennung von Bildungsinhalten

Selbst bei Montessori müssen Bildungsbegleiter alle musischen Bereiche getrennt von einzelnen Spiel- und Lerninhalten vermitteln. Erst spielen, dann malen, dann an die frische Luft, dann singen, dann … Die Bildungsinhalte sind hier oft ohne Zusammenhang, stehen isoliert. Die Sinneseindrücke fallen jetzt auseinander. Die Kluft wird umso größer, desto weniger das Kleinkind sich beim Erleben bewegt. Vielfach werden die  Tagespflegekinder mit dem Kinderwagen gebracht, oder sitzen während der Fahrt angegurtet in einem Kinder-Autositz und erleben eine Fülle von Eindrücken, ohne das Gesehene berühren zu können. Oft schlafen Kinder jetzt ein, ein eingebauter Schutzmechanismus, der vor Überforderung schützt. Stress und Reizüberflutung kennzeichnen die moderne Konsumgesellschaft, nicht nur durch moderne Medien, die in manchen Familien sogar ununterbrochen für akustische und visuelle Berieselung sorgen. Die Kinderärzte Wolfgang Göbel und Michaela Glöckner warnen:

Die auf diese Weise bewirkte Schulung zur Oberflächlichkeit und Wertminderung
der einzelnen Sinneswahrnehmungen setzt sich in den Sprech- und Denkbereich
fort (…). Durch die Entfremdung von der Wirklichkeit erlahmt das Interesse an der
Welt. Da Kind neigt mehr dazu, die Dinge auf ihren Lustgewinn hin zu
betrachten44.

5.5. Auswirkung auf Sprache, Motorik und Denkvermögen

Kunst und Musik – besonders wenn sie sehr transparent und anschaulich dargebotenwerden – vermitteln Wirklichkeit, regen die Fantasie an und fordern so zur Abstrahierung  von Welt auf. Darum wird zugleich auch das Denk- und Sprachzentrum im Gehirn  aktiviert, was sich positiv auf die Sprechentwicklung auswirken kann. Gesungene Texte sind Verse. Die Melodie des gesprochenen Wortes erlebt im Vers eine besondere Harmonie und prägt sich nicht nur akustisch, sondern zugleich rhythmisch ein.

  • Im Vers findet das Kind einen besonderen Halt und kann die Worte leichter lernen und behalten.

Denken wird in der Kindersprechstunde als Fähigkeit definiert, „durch die wir  Zusammenhang, Sinn und Ordnung in alles hereinbringen können, was wir erleben45.
Weiter im Text wird festgestellt, dass das Kleinkind Sinnliches und Begriffliches noch ungetrennt erlebt, mit der Folge, dass die Eindrücke viel intensiver und „wirklichkeitsgesättigt“ sind, als später.  Durch Musik und Kunst werden die einzelnen Sinne auf schöne Weise gereizt und das  Kind wird an Körper, Seele und Herz berührt und angeregt.
Dargestellte Szenen – im Bild, im bewegten Bild (Video), in der wirklichen Umwelt und in  der abstrakten Szene von Klängen – können nachempfunden und nachgestellt werden. Im  Tanz entdecken die Kinder ihren Körper neu. Im Puppenspiel finden kleine Inszenierungen statt. In der Verkleidung schlüpfen die Kinder in Rollen. Darstellerische Fähigkeiten werden durch die Verknüpfung von Kunst und Klassik auf intensive Weise gefördert, besonders, weil sie als Teil des Projekts immer neu definiert werden.
Sinnliches Erleben fördert im höchsten Maße die Sinne und das Feingefühl, was in jedem Fall für alle späteren Entwicklungen wichtig ist.

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