3. Heranführung an Kunst & Klassik

Wie führen wir Kleinkinder an Kunst und Klassik heran?

Über einen Zeitraum von ca. einem viertel Jahr werden die Kinder mit dem Kunstwerk und dem Musikstück vertraut. Neben der regelmäßigen Darbietung ranken sich viele, ganz unterschiedliche Aktionen um beides.

 

 

 

3.1. Erlebbarkeit der Entstehung von Kunstwerken und Musik

Bevor ein Kleinkind ein Museum entdeckt, sind viele methodisch-praktische
Vorbereitungen sinnvoll.

  • Wir malen großflächig und erkennen dabei die Bewegung im kreativen Malprozess.
  • Wir lernen den Auftrag mit verschiedenen Werkzeugen (Im Hintergrund spielt die ausgesuchte Musik.).
  • Wir suchen Kirschharz, weichen es in Wasser auf und mischen es mit einem Pigment aus Backstein (z. B.).
  • Wir mischen Quark, Öl und Pigment. Die Anrührung der Farbe gehört zum Teil der Erfahrung, ist aberwie alle Kreativarbeit nur ein mögliches Angebot.

Leben mit und in Farbe

Eben diese Herstellung von Farben ist aber wichtiger Teil der Praxis. Kinder kennen gekaufte Malutensilien: Stifte, Pinsel, Farben, Kreiden etc. Farbe(n) werden zum Konsumgut, schlimmstenfalls mit  „Beiwerk“ wie Malbuch.

Farbe ist überall! Ein Stück Backstein oder Ytong für Straßenmalerei. Lebensmittel wie Quark, Öl und Gewürze für Arbeiten auf  Pappe und Papier – das sind Erlebnisse, die sich einprägen. Damit gewinnt Farbe eine völlig andere „Farbe“ – sprich Qualität.

Die Tagespflegeperson malt selbst. Sie führt den kreativen Schaffensprozess vor.

Kleinkinder beobachten und ahmen nach – das ist der erste Lernprozess. Zum besseren Verständnis der Kleinen kommentier ich die einzelen Arbeitsschritte laut. Sie sollen verstehen, was ich tue:

„Das ist ein Spachtel.“ Ich zeige den Spachtel in die Runde.
„Mit dem geif ich ein bisschen Farbe, wie mit einem kleinen Schäufelchen.“ Ich lass die Kinder ganz nah heran, damit sie sehen, was passiert.
„Und jetzt muss die Farbe vorsichtig auf die Leinwandgestrichen werden. Die darf schließlich nicht kaputt gehen und Spachtel ist ganz spitz. Habt ihr das gesehen?“

Für die Kleinen ist eine solche Demonstration sehr spannend. Sie fiebern augenscheinlich mit, führen die Bewegungen in der Luft nach und manchmal wird nach einem Farbauftrag sogar geklatscht.

Parallel zum Schaffensakt bleibt der Kontakt zu den Museen. Die Dresdner Künstlergruppe

  • Freie Akademie Kunst+Bau e. V.

stellt uns jederzeit ihren Skulpturengarten zur Verfügung, um den handwerklichen Meisterwerken einen Besuch abzustatten.

„Das Atelierhaus wurde 1928 durch den damals bekannten Bildhauer Edmund Moeller erbaut. Er lebte und arbeitete hier bis zu seinem Tod 1958. In den folgenden Jahrzehnten wurden Haus und Grundstück Schaffensort für eine große Anzahl Künstler, Architekten und Designer. Mit der 1958 gegründeten „Produktionsgenossenschaft der bildenden Künste -Kunst am Bau- „ entstand ein Zentrum für baugebundene Kunst, welches DDR-weit maßstabsetzend für Kunst im Bereich neuen Bauens wurde.“ (Auszug aus der homepage: http://www.freie-akademie-dresden.de/)
Aufgeschlossene Künstler gestatten nach vorheriger Anfragen einen Besuch im Atelier. Wie auch immer, eine solche Aktion kann den Abschluss eines Themas bilden. Von den Kindern wird dann nämlich Disziplin verlangt, damit sie nichts anfassen oder kaputt machen. Vor allem aber schnuppern sie kreative Atmosphäre, und die „schmeckt“ den Kleinen!

3.2. Das Bild, betrachten, erleben, verstehen

Über einen Zeitraum von ca. einem viertel Jahr werden die Kinder neben einer klassischen Musik mit einem Kunstwerk vertraut gemacht. Um dieses Bild ranken sich zahlreiche Aktionen. Das Bild soll zum Betrachten anregen und wird auf einer neutralen Wand in Augenhöhe platziert. Gerne verteilen wir auch Abzüge in der Größe von Postkarten an verschiedenen Stellen, um immer wieder die Blicke auf das Dargestellte zu lenken. Während des Essens (Mittagstisch/Vesper) ist das Bild ständiger „Gast“ am Tisch.

  • Dialogische Bildbesprechung

Während der Vesper wird ganz konkret über das Dargestellte gesprochen. Die Kinder erzählen zunächst, was sie selbst sehen. Später werde ich den Fokus der Sichtweise systematisch lenken und in Details einsteigen.

  • „Habt Ihr schon mal gesehen, was der Junge in der Hand hält?“ „Richtig, das ist ein Vogel.“ „Welche Farbe hat der kleine Vogel, wer weiß das?“ „Ein Kanarienvogel ist das, stimmt. Woher weißt Du das?“ …

Je nach Kindergruppe und Bild entwickeln sich aus dem jeweiligen Blickwinkel immer neue Ansätze und Wege in viele Richtungen, die zu einem regen Gespräch einladen.

Im Beispiel handelt es sich um ein Bild des
Dresdner Malers Wilhelm Lachnit: „Knabe mit Kanarienvogel“.

Das Bild hat uns vom Jahreswechsel 2011/12 bis kurz nach Ostern begleitet:

  • Wir sehen den Jungen in seiner wolligen Kleidung, der den gelben Vogel auf schlanken Händen schützend hält.
  • Wir singen: Singt ein Vöglein… kommt der Frühling; Alle Vögel sind schon da; Immer nur brüten, brüten, brüten …, Tick, tick, tick, wer klopft denn da im Ei (Die Titel „Immer nur brüten“ und „wer klopft denn da im Ei“ befinden sich auf der CD „Rolfs Vogelhochzeit“ (1977); Au weia, der Hahn legt keine Eier und andere Lieder die auf den nahenden Frühling hinweisen.
  • Wir hören an Klassik: „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saëns
  • wir werken: mit ausgeblasenen Eiern, mit Straußeneiern und Wachteleiern (groß/klein), mit Federn und Wolle (das Kleid der Tiere).
  • wir erleben: die Vögel im Zoo, die Hühner auf dem Bauernhof und sehen, die kleinen Küken, die aus dem Ei geschlüpft sind.
  • wir essen: Ei in seinen verschiedenen Variationen (1x wöchentlich), wobei ich darauf hinweise, dass in diesen Eiern keine Küken sind. „Das Ei muss erst bebrütet werden.“

Und schon beginnt der Kreislauf von vorn: „Immer nur brüten, brüten, brüten“…

Schier endlos wird das Thema, weil mit wachsender, zielgerichteter  Aufmerksamkeit die Welt entdeckt wird. Die Kinder erleben die Geburt von Säugetieren bei den Schafen im Zoo und sie erfahren, dass nicht nur Vögel Eier legen, sondern auch Echsen, Schlangen und Frösche. Diese Tiere kann man im Dresdner Jugend-Ökohaus im Großen Garten erleben. Und zwar am besten dann, wenn die kleinen Vogelkinder flügge sind und damit das Kapitel Ei und Vogel abgeschlossen werden kann.

Das Jungend-Ökohaus hat einen kirchlischen Träger und vermittelt Stadtkindern ein Stück Natur. Es liegt an dem Hobby eines Pädagogen, dass vorbildlich eingerichtete Terrarien dominieren. Gerne lassen geschulten Mitarbeiter die Kleinen  tiefe Blick in die Terrarien werfen und holen das ein oder anderer Tier auch auf die Hand. Sehr gute Erfahrungen habe ich auch mit gepflegten Zoohandlungen gemacht, die sich immer ein bisschen Zeit für die Kinder nehmen und die Tiere gerne anschaulich vorführen.

Inzwischen ist das Jahr vorgerück und der Sommer naht. Mit der warmen Jahreszeit verlagern wir unsere Aktivitäten nach draußen. Das Thema Ei bleibt präsent. Jetzt beobachten wir Kaulquappen, die auch aus dem Ei geschlüpft,  durch die Tümpel sausen. Die kleinen „Tümpelforscher“ erlebten hier die Entwicklung zum Frosch…

… und der stammt aus dem Ei. So wie Lachnits gelber Kanarienvogel auf des Knaben Hand.

Wie in einer Spirale erleben wir Anfang und Ende immer neu. Besingen die Dinge die wir sehen, staunen und sehen Entwicklung, die nie stehen bleibt.

3.3. Die Musik hören, Instrumente erkennen, selbst musizieren

Angeregt durch eine Episode in der amerikanischen Kindersendung Sesame Street, gefiel
mir die Vorstellung, Kinder spielerisch auf klassische Instrumente aufmerksam zu machen.
In dieser Sendung streiten sich ein jazzfreudiger Uhu (Puppe) und der bekannte Cellist Yo
Yo Ma über die Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Instrumente. Der Uhu hält dem Cello ein
Saxofon entgegen15.

Doch leider ist auch diese beliebte TV-Kindersendung nur „Wirklichkeit aus zweiter Hand16“. Fernsehkonsum vor dem Vorschulalter wird von Psychologen und Soziologen vehement abgelehnt17. Kinder können Film und Realität nicht trennen. Selbst bei einer Musikdarbietung ersetzt ein Fernsehbild keine erlebte Vorführung. Die meisten Sinnesreizungen fehlen beim Fernsehkonsum, vornehmlich anspruchsvolles hören und fühlen. Fast jedes Kind sitzt auffallend bewegungslos vor dem Fernseher, während sich Gleichaltrige in realistischen Lebensräumen unter dem Einfluss von Musik gerne bewegen.

Kleinkinder in einen Konzertsaal mitzunehmen oder gar eigene Aufführungen zu
organisieren, erscheint aber zunächst kompliziert. Auch mir war der Konzentrationsfaktor einer Gruppe von Kindern zwischen 1 und 3 Jahren an Anfang nicht bekannt. So entschied ich mich zunächst für eine doppelte Variante um Klassik zu präsentieren:
– zu einer regelmäßigen Darbietung von ausgesuchten Tonträgern und
– dem Einsatz von Musikinstrumenten beim täglichen Singen.

3.4. Dargebotene Musikstücke

Kleine Kinder lieben Musik, die wohlklingend, lebendig und einfach ist. Das heißt nicht,
dass nur leichte Kinderlieder für Kleinkinder geeignet wären, auch in der klassischen
Musik findet sich eine große Auswahl an Stücken, die Kinder gerne hören und zu denen sie
eine konsistente Beziehung entwickeln können.
Die Erfahrung mit Kindern unter drei Jahren zeigt, dass sie unmittelbar auf Musik
reagieren, sich insbesondere in ihrer Stimmung von klassischer Musik beeinflussen lassen,
aber auch Melodien, Rhythmen, Instrumente, Lautstärke und individuell noch weitere
musikalische Parameter erkennen und behalten können. In diesem Projekt wird dieses
Erleben durch Bilder erweitert, wobei die optischen Eindrücke zusätzlich anregen.

Auswahlkriterien

  • Musik für das Projekt soll tonal sein. Atonale Musik, bei der die Töne nur sehrschwer miteinander in Beziehung zu setzen sind, ist schwer zu be-greifen.
  • Dissonanzen sollten nur sparsam eingesetzt werden, weil sie den Hörgewohnheiten von Kleinkindern noch sehr widersprechen. Dissonanzen setzen Abstraktionsvermögen voraus, welches sich wiederum erst auf konkreten Erfahrungen entwickeln kann. Deshalb wählen wir für Kleinkinder zunächst überwiegend konsonante, also „wohlklingende“ Musik.
  • Aus konsonanten Musikstücken wählen wir schnelle, lebendige Musik. Das Tempo hält so junge Menschen länger in seinem Bann, als getragene Musik. Darum sind Satzüberschriften wie schnell, Allegro, Allegretto, Scherzo, lebhaft, Ländler, Presto in der Regel vorzuziehen.
  • Musik für Kinder sollte erkennbar bleiben, sie sollte daher leicht und transparent sein. Bombastische Orchesterklänge mit zu komplexen Instrumentationen werden von kleinen Kindern als eher unangenehm empfunden. Die „Klangteppiche“ überrollen die Kleinen leicht, sie wirken häufig zu gewaltig.
  • Auch das Tongeschlecht ist wichtig. Kleine Kinder reagieren auf Dur- Tonarten positiver als auf Moll-Klänge. Die im Moll versteckte Wehmut und Getragenheit kann von den kleinen Zuhörern als „traurig“ und „bedrückend“ empfunden werden.
  • Weil die Aufmerksamkeit von Kleinkindern immer nur kurz auf eine Sache gelenkt werden kann, empfehlen sich kurze Stücke. Sätze und Stücke zwischen fünf und höchstens zehn Minuten Dauer entsprechen der Konzentrationsfähigkeit in diesem Alter

3.5. Musik und Bewegung

Musik und Rhythmus wecken im Kind den Bewegungsdrang. Gefällt den Kleinen ein Stück, wiegen sie sich im Takt, sie stehen sogar gerne auf und tanzen. Gerade diese freien und fließenden Bewegungen des ganzen Körpers entspannen und fördern den Bewegungsapparat auf besondere Weise. Gleichgewicht wird neu probiert und das lustvolle Erleben von fließenden Bewegungen im Takt von Musik stärkt die Beziehung
zum eigenen Körper und zum sich entwickelnden ICH.
Animiert werden Kinder auch durch optische Anregungen. Ballettaufführungen kann man
nicht nur hören, ein wesentlicher Bestandteil ist das betrachtende Erleben. Ein Bild von
Edgar Degas (18) kann die Musik sehr anschaulich unterstützen.

Ein Hilfsmittel kann hier durchaus auch die Videotechnik sein, um kurz eine Aufführung anzuschauen und so die besonderen Bewegungen und die Körperbeherrschung der Tänzer und Tänzerinnen erlebbar zu machen.

3.6. Prägen der Eindrücke

Um die musikalischen Eindrücke bei kleinen Kindern im Gedächtnis zu verhaften, eignet
sich Musik mit außermusikalischen, bildhaften Bezügen besonders gut. Zum Teil ist
Kinderklassik bereits beliebt und bekannt.

Zu den populären Stücken gehören:
Peter und der Wolf: Musikalisches Märchen von Sergei Prokofjew.
Jede Figur in der Geschichte ist einem bestimmten Instrument zugeordnet und hat
ein eigenes musikalisches Thema:
Vogel – Querflöte
Ente – Oboe
Katze – Klarinette
Großvater – Fagott
Wolf – Hörner
Peter – Streicher
Jäger – Waldhörner (Gewehrschüsse werden von Pauken und großer Trommel
repräsentiert)19
oder Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns20.
14 kleine Sätze mit jeweils sparsamer unterschiedlicher Instrumentierung, wobei
den jeweiligen Tieren andere Instrumente zugeordnet werden.
Gemeinsam ist den Stücken, dass sie einen sehr hohen Wiedererkennungswert
vermitteln. Sucht man unter diesem Aspekt, finden sich in der klassischen Musikliteratur
noch viele weitere geeignete Stücke in der Programmmusik.
Ebenso geeignet ist Ballettmusik, weil auch sie Geschichten erzählt.
Be-greifen – das Wort beinhaltet den Weg zum Verstehen. Menschen – besonders Babys
und Kleinkinder – müssen fühlen, tasten, schmecken, um zu verstehen – zu be-greifen.
Unter diesem Aspekt suchen wir Musikstücke aus, die einzelne Instrumente klar und
deutlich in den Vordergrund stellen: Solokonzerte, Sonaten Duette, Trios, Quartette.

  • Hier ein kleine Auswahl geeigneter Stücke:

Leo Delibes: Pizzicato aus Silvia
Leopold Mozart: Kindersinfonie
Bedrich Smetana: Die Moldau
Camille Saint Saens: Karneval der Tiere
Sergei Prokofief: Peter und der Wolf
Joseph Haydn: Kindersinfonie
Joseph Haydn: Abschiedssinfonie
Joseph Haydn: Sinfonie mit dem Paukenschlag
Johann Pachelbel: Kanon in D
Nicolai Rimski- Korsakow: Hummelflug
Nicolai Rimsky Korsakow: Scheherazade
Modest Mussorgskiy: Bilder einer Ausstellung
Peter I. Tschaikowski:Schwanensee, Nussknacker
Edvard Grieg: Peer Gynt
Ludwig van Beethoven: Beethoven: Sinfonie Nr. 6
Antonio Vivaldi: Vivaldi: Die vier Jahreszeiten
Wolfgang Amadeus Mozart: Eine kleine Nachtmusik
Engelbert Humperdinck: Oper Hänsel und Gretel z. B.“Brüderchen, komm tanz
mit mir“

3.7. Der Einsatz von Tonträgern

Das ausgewählte Musikstück wird täglich zum Mittagessen (leise) und zur Vesper (gut
hörbar) aufgelegt. Dabei wird die Aufmerksamkeit der Kinder auf die Eröffnung der
Musikeinlage gelenkt:

  • „Hört, jetzt stelle ich die Musik an!“

Das Stück als solches soll gehört und erkannt werden. Dazu muss es vorgestellt werden
und zwar regelmäßig und mit einfachen kurzen Sätzen:

  • „Das ist der Karneval der Tiere. Und jetzt kommt der Löwe. Könnt ihr den Löwen hören?“

Während die Kinder lauschen, unterstützen die Bildungsbegleiter21 mit Gestik und Mimik
fast pantomimisch die Szene. Hier konnten wir erleben, wie schnell sich die Kinder in die
Musik einhören können. Besonders beachtlich war der hohe und sehr schnelle
Wiedererkennungswert auch anderer Interpretationen.
Sobald das Musikstück von den Kindern erkannt ist, wird das Gehör auf die einzelnen
Instrumente gelenkt. Neben dem Erkennen der musikalischen Figuren (Löwe), werden den Tönen jetzt die entsprechenden Instrumente zugeordnet.

3.8. Instrumente erkennen

Um dieses Prozess des Erkennens von Musik zu verdeutlichen, kommt einmal in der Woche ein Musiker mit einem Instrument in die Tagespflege. Junge Musikstudenten sind gerne bereit, für einen adäquaten Beitrag mit Instrumenten in die Tagespflege zu kommen. Diesen Beitrag sind meiner Erfahrung nach alle Eltern bereit zu zahlen.

Die Kinder sehen die zuvor gehörten Instrumente jetzt real vor Augen. Sie erleben, wie die Instrumente gestimmt und eingestellt werden. Wie ein kleiner Soundcheck auch mal schräge Töne zulässt, und sie können sich ganz dicht um den Musiker drängeln, die Instrumente berühren und ihnen nach Möglichkeit Töne entlocken.
Musik wird plötzlich anfassbar und nah.

Gleichzeitig stehen den Kindern verschiedene Perkussionsinstrumente zur Verfügung, die
sie sich gerne und auch selbst holen, um sich musikalisch einzubringen. Unsere bisherige
Erfahrung ist, dass sich Kinder mit großer Freude an „Hausmusik“ beteiligen. Nachdem
eine erste Hemmschwelle überwunden ist, die bei neuen Tagespflegekindern auftreten
kann, gehen Kleinkinder sehr offen, frei und hemmungslos ans musizieren.
In meiner Kindertagespflege gehört das Singen von Kinder- und Volksliedern zum
Konzept. Hierbei richten wir uns am Rhythmus der Jahreszeiten. Wir singen täglich. Jetzt
werden die gleichen Lieder mit der Gitarre, dem Keyboard, einem Akkordeon oder einem
anderen Instrument begleitet. Beim singen von bekannten Lieder, können wir gut erleben,
wie viel positiven Einfluss eine musikalische Begleitung mit Instrumenten auf die (sowieso
schon große) Freude am Singen hat.

Beispiele der gesungenen Lieder:

  • Frühjahr: Winter adé, Es tönen die Lieder, Blüht ein Blümlein, Im Märzen der Bauer, Kuckuck kommt aus dem Wald, Der Kuckuck und der Esel(22).
  • Sommer: Wir Fröschelein, Auf unserer Wiese geht etwas, Wir schaukeln auf dem Wasser, Es führt über den Main eine Brücke von Stein, Trarira, der Sommer der ist da, Summ, summ, summ, Bienchen summ herum.
  • Herbst: Bunt sind schon die Wälder, Laternenlieder, Heho, spann den Wagen an, Liebe, liebe Sonne.
  • Winter: Schneeflöckchen/Weißröckchen, Bald, bald Kinder, Weihnachtslieder.
  • Darüber hinaus werden Jahreszeitenunabhängige Lieder gesungen: Backe, backe Kuchen, Hänschen klein, Alle meine Entchen, In dem Wald da steht ein Haus, Meine Mi-, meine Ma-, meine Mutter schickt mich her, Jascha geizte mit den Worten, Was müssen das für Bäume sein,  Ich bin ein dicker Tanzbär, Die Gedanken sind frei und viele mehr.
  • Sind alle Kinder am Morgen eingetroffen, singen wir das Morgenlied: Ich will Euch begrüßen und mache das so… Hallo, hallo, hallo….
  • Zum Mittagsschlaf singen wir: Schlaf mein Kindchen, schlaf ein Schläfchen, Bajuschkibaju.
  • Nach der Mittagsruhe singen wir: Bruder Jakob schläfst du noch?

Diese immer wieder kehrenden Liederrituale dienen der Orientierung. Die Regelmäßigkeit gibt den Kindern Halt und Sicherheit.

Im Anschluss an das gemeinsame Singen dürfen die Kinder auch empfindliche Instrumente (Gitarre, Keyboard, irdene Perkussionsinstrumente) anfassen und wenn eben möglich versuchen, ihnen selbst ein paar Töne zu entlocken. Auffallend ehrgeizig nehmen selbst schüchterne Kleinkinder diesen Programmpunkt für sich war.

 

Die neuen Medien eröffnen die Möglichkeit, auch Bühnenaufführungen zu veranschaulichen. Wir halten es für sinnvoll, in ausgesuchten Fällen (Zauberflöte, Aufnahmen aus einem Konzertgraben) neben einem Bild auch filmische Mittel zu nutzen(23).

3.9. Elterneinbindung

Im Elternrundbrief  „Kreativplan“ wird über die zur Zeit gesungenen Lieder berichtet. Z.T. gebe ich die Texte oder verweise auf Google.
Insofern es sich um alte Volkslieder handelt, mache ich auf den Ursprung aufmerksam:

Die Gedanken sind frei, ist seit der Antike bekannt, wurde schon von Walther von der Vogelweide gesungen und stammt in seiner heutigen Form von Hoffman von Fallersleben.“

Da ich meine Tagespflege in Dresden betreibe, ist es interessant, dass Hänschen klein im 19. Jahrhundert von dem Dresdner Lehrer, Franz Wiedemann (24) komponiert wurde.

Ein mal im Quartal findet ein Elternabend statt.

3.10. Verknüpfungen

Auf sanfte Weise wird der Spagat zwischen der Darbietung von klassischer Musik und der Be-greifbarkeit von Instrumenten vollzogen, ohne dabei das kindgerechte Tempo zu verlassen. Die langsame Annäherung an die Entstehung von Klängen und rhythmische Wiederkehr werden Teil des Alltags und als solcher vom Kind verstanden, geliebt und schließlich sogar eingefordert. Die wöchentliche Hausmusik wird als besonderer Höhepunkt geschätzt.
Zur Unterstützung des freien Atmens, um auch aus voller Kehle singen zu können, üben wir das laute Formen von Tönen, aber auch das leise Halten eines Tons. Täglich nach dem Mittagsschlaf praktizieren wir auf dem „Töpfchen“ eine besondere Form der Stimmübung: „atmen und singen“ nach Frédérick Leboyer(25). Diese kleine Atem- und Entspannungsübung hilft auch beim „Geschäft“ und kann durchaus auf dem sonst eher „stillen Örtchen“ Anwendung finden.

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